Auf einer ganz anderen Wellenlänge
Die Hörer in Richtung Zukunft schubsen
Der Bund, die Unterhaltungselektronikbranche und die SRG sind sich einig: Das analoge UKW-Radiosignal hat ausgedient. Digital Audio Broadcasting Plus (DAB+) heisst der neue Standard. Er bietet Vorteile: Die Beschränkung der Anzahl Sender pro Region verschwindet, die Tonqualität ist besser, und es lassen sich Zusatzinfos auf den Radio-Displays anzeigen. Heute können Deutschschweizer Haushalte bereits 40 Programme per DAB+ empfangen. Die Umstellung ist politisch brisant. Die Konsumenten kaufen zwar immer mehr Digitalradios – 2012 wurde in der Schweiz die Millionengrenze überschritten –, aber nach wie vor empfängt die Mehrheit Musik, Nachrichten und Wetter analog. Würde man heute die UKWSender abstellen, müssten Millionen Schweizerinnen und Schweizer ihre Auto- und Küchenradios wegwerfen oder umrüsten. Kurz: Kommt der Abschalttermin zu früh, gibt es Proteste. Realistisch gilt in der Branche ein Termin zwischen 2018 und 2023. Aber schon seit 2008 schubst eine Marketingorganisation die Hörer in Richtung digitale Zukunft. Die SRG-Tochter MCDT AG (Marketing and Consulting for Digital Broadcasting Technologies) verfügt laut Geschäftsbericht 2012 über ein 1,6-Millionen-Marketingbudget; mit Werbekampagnen, Websites und Flyern wird DAB+ angepriesen. Das Geld kommt laut MCDT-CEO Béatrice Merlach zum Teil von der SRG, zum Teil aus Handel und Industrie. Die Migros bestätigt etwa, dass man sich beteilige, schweigt aber zur Höhe des Betrags. Bereits letztes Jahr ist beim Bundesamt für Kommunikation (Bakom) eine «Arbeitsgruppe digitale Migration» eingesetzt worden, darin sitzen Vertreter von Bund, SRG und Privatradios. Diese wolle 2014 den Abschalttermin festlegen, heisst es beim Bakom. (ms)
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Dem Zürcher Jugendradio 105 ging es diesen Sommer schlecht. Der Sender «befindet sich in einer schwierigen Lage. Zu dessen Sanierung wurden verschiedene Möglichkeiten geprüft», hiess es in einem öffentlichen Schreiben des 105-Anwalts vom 24. Juli an das Bundesamt für Kommunikation, das den Radiostationen die Sendelizenzen vergibt.
Die Lösung präsentierte der Anwalt im nächsten Satz: Ein neuer Investor schiesst Geld in die Music First Network AG ein, die 105 betreibt. Er erhält dafür die Hälfte der Aktien, die andere Hälfte bleibt bei Gründer und Geschäftsführer Giuseppe Scaglione. Dessen langjährige Partnerin, die Mailänder Finelco-Gruppe, die in Italien mehrere Hundert Radiosender betreibt, kappt ihre Verbindungen in die Schweiz.
Der neue Investor heisst Daniel Hartmann. Sein Name ist vor allem in Bern ein Begriff, dort kennt man ihn als Werber und Box-Promoter. Früher leitete er die Agentur Contexta mit zeitweise rund 100 Angestellten – zu den Kunden gehören SBB, Appenzeller und Swisscom. Unter anderem war Hartmann für die Werbe-Sitcom «Beck & Bondi» der Swisscom verantwortlich, die auf den SRF-Sendern zu sehen war. 2011 verkaufte er seinen Anteil. Danach trat er kürzer, managte Profi-Boxer, war öfter in seinem eigenen Boxclub anzutreffen und recherchierte in den USA dem vergessenen Boxpionier Frank Erne hinterher. Weshalb steckt einer wie er «mehrere Millionen» in ein schlingerndes Jugendradio?
Neuer Sender: Radio[56] Blue Sky
Er sei seit fast 20 Jahren mit Scaglione befreundet, schon 1998 bei der Gründung von 105 dabei gewesen, sagt Hartmann. «Und: Ich sehe hier eine Geschäftsmöglichkeit.» Der neue Investor hat Ausbaupläne: Am 6. Dezember will er zu den beiden bestehenden Sendern 105 und Radio Monte Carlo eine dritte Station hinzufügen. Sie heisst Radio Blue Sky, spielt Musik aus den 70ern und 80ern, bietet Nachrichten, Wetter und Verkehrsmeldungen. Verbreitet wird sie über Internet und DAB+. Das bedeutet: Hörer, die nur ein analoges UKW-Radio besitzen, können sie nicht empfangen. «Die digitale Revolution kommt, UKW ist in fünf Jahren tot», sagt Scaglione dazu.
Auch das Jugendradio 105 (heute 100'000 Hörer pro Tag) wollen die beiden neu als digitale Station für die ganze Deutschschweiz vermarkten. Dafür wird das Personal aufgestockt: «Wir stellen drei Journalisten, einen Eventmanager und ein sechsköpfiges Verkaufsteam ein», sagt Scaglione.
Heute hat 105 keine schlagkräftige Verkaufsabteilung. Bis 2012 lief die Vermarktung über Radio Energy Zürich. Diese «Werbe-Ehe» ist Teil einer konfliktträchtigen Geschichte, die bis 2008 zurückreicht. Damals vergab der Bund die Konzessionen neu. Scaglione gewann, er erhielt eine UKW-Lizenz für Radio Monte Carlo. Energy, das Ringier und der französischen NRJ-Gruppe gehört, ging leer aus. Um die Station zu retten, kaufte Energy die Monte-Carlo-Konzession von Scaglione – für über fünf Millionen.
Wie die «Schweiz am Sonntag» schrieb, schlossen die beiden Sender zudem einen Vertrag ab. Energy würde drei Jahre lang für 105 Werbung verkaufen – und pro Jahr einen Umsatz von 2 bis 3 Millionen garantieren, auch wenn der tatsächliche Werbeerlös tiefer liegen würde. Was dann auch passierte: Laut Branchenkreisen holte Energy nur einen Bruchteil der 2,5 Millionen herein.
Werbeelöse sackten ab
Ende 2012 lief der für 105 günstige Vertrag aus, und die Erlöse sackten ab. Scaglione geriet ohne eigenes Verkaufsteam in eine «Notlage», wie er selbst sagt. Die Finelco wollte kein Geld einschiessen – und begann, mit möglichen Käufern zu reden. So reiste Roger Schawinski nach Mailand; ebenso war SVP-Politiker Walter Frey im Gespräch. Die Verhandlungen führten aber zu nichts, stattdessen griff Daniel Hartmann zu. Der sagt heute, der Deal mit Energy sei zwar einträglich, aber dennoch ein Fehler gewesen, weil man sich abhängig gemacht habe. «Das ist jetzt abgeschlossen. Wir schauen vorwärts.»
Der Konflikt mit Energy ist aber noch nicht ausgestanden: Music First Network hat Energy auf eine Millionensumme verklagt. 105 wirft Energy laut Insidern vor, sich beim Akquirieren von Werbung nicht genügend Mühe gegeben zu haben – deshalb sei der Sender heute am Werbemarkt nicht etabliert. Energy bestreitet die Vorwürfe und hat Widerklage erhoben. Zu den Details des Prozesses schweigen beide Seiten. (Tages-Anzeiger)
Erstellt: 15.10.2013, 08:51 Uhr
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